Diabetes

Dieser kleine Leitfaden dient als Überblick und ersetzt nie die Behandlung und Beratung durch einen hamsterkundigen Tierarzt!

So wie wir Menschen können auch Hamster in der Heimtierhaltung an Diabetes mellitus erkranken. Besonders gefährdet sind (campbelllastige) Hybriden, denn in der gewerblichen Massenzucht wird nicht auf eine tiergerechte Ernährung geachtet und erkrankte Tiere werden aus der Zucht nicht ausselektiert, weil die Symptome bei Einzeltieren in Gruppenhaltung nicht deutlich hervortreten. Somit konnte sich die Prädisposition (ausgeprägte Anfälligkeit) für diese Erkrankung immer weitervererben.

Weiterhin neigen artreine Campbell-Zwerghamster schneller zu Diabetes als artreine Dsungarische Zwerghamster (wahrscheinlich auch genetisch bedingt), weil die Campbell- Zwerghamster in der Wildbahn in noch kargeren Gebieten (Halbwüsten bis Steppen) als die Dsungaren (Steppen) wohnen. So können selbst die angepassten Futtermischungen im Online-Handel noch zu reichhaltig sein, außerdem ist das Obst und Gemüse in Deutschland deutlich zuckerreicher als ursprünglich gezüchtet, um eine höhere Verbraucherakzeptanz zu generieren.

Bei den Campbells sind mir sehr wenige Einzelfälle mit Diabetes Typ 1 bei seriösen Züchtern bekannt. Die Züchter führen präventiv einen Urintest (siehe Diagnose) durch, um kranke Linien noch vor Zuchteinsatz direkt auszuselektieren. Nicht immer klappt das vorher, weil noch nicht viel über die Vererbung von Diabetes bekannt ist und es scheinbar plötzlich auftreten kann.

Bei den Dsungarischen Zwerghamstern ist mir noch kein klarer Fall von Diabetes bekannt. Ein Jungtier aus meinem D-Wurf ist mit ca. 1 Jahr und 3 Monaten mit einer auffällig hohen Trinkmenge gestorben. Da er aber von Klein-auf tiergerechtes Trocken- und unbedenkliches Frischfutter bekommen hat (schließt Typ 2 Diabetes fast aus) und seine Eltern, Voll- und Halbgeschwister (ins. 19 Stück) keine derartigen Diabetes-Symptome zeigen (spricht gegen Typ 1 Diabetes), vermute ich eine angeborene Nierenschwäche mit anschließendem Nierenversagen. Auch spricht gegen Diabetes, dass er lebenslang bewegungsinaktiv war. Diabeteskranke Tiere (vor allem bei Typ 1) schwanken zwischen Lethargie und Hyperaktivität.

Auch chinesische Streifenhamster können an Diabetes erkranken, weil sie ähnlich wie Campbells in sehr kargen Gegenden vorkommen.

Roborowski-Zwerghamster können leicht dick gefüttert werden, sodass sie an Typ 2 Diabetes verbunden mit Lipomatose (starke Zunahme an Fettgewebe vor allem am Rücken und unter den Vorderbeinen) erkranken. Lipomatose ist – einmal ausgebrochen- nur wenig behandelbar, daher ist ein Mischverhältnis von Mehl- zu Ölsaaten von 75% : 25% (bei anderen Hamsterarten 65-70% : 35-30%) im Futter erstrebenswert.

Goldhamster sind am wenigsten gefährdet, da sie von Natur aus als Kulturfolger in Getreidefeldern (v.a. Weizen, Mais, verschiedenes Gemüse) vorkommen und sich deutlich zucker- und stärkereicher ernähren.

Ursachen und Symptome

Typ 1 Diabetes ist meist angeboren und äußert sich durch eine mangelnde Fähigkeit der Insulinproduktion durch die Bauchspeicheldrüse auf, weil das eigene Immunsystem die Insulin-produzierenden Betazellen zerstört.

Typ 2 Diabetes ist meist im Laufe des Lebens erworben. Jedes Tier hat eine unterschiedlich hohe Prädisposition (erhöhte Anfälligkeit), dass es je ausbricht. Durch besonders zuckerhaltige Ernährung schwankt der Blutzuckerspiegel so stark, dass die Bauchspeicheldrüse in großen Schüben Insulin ausstößt. Insulin ist ein chemischer Botenstoff, der durch Andocken an Rezeptoren Tunnelproteine für den Transport von Zuckermolekülen (Energielieferanten) in die Körperzellen öffnet. Irgendwann sind die Insulinrezeptoren an den Körperzellen erschöpft und reagieren kaum noch auf dieses Hormon, wodurch der Blutzuckerspiegel ansteigt, ohne dass eine Sättigung der Körperzellen erfolgt.

FormUrsachenSymptome und FolgenLebens-
erwartung
Typ 1, angeboren-Bauchspeicheldrüse kann
kein Insulin produzieren,
weil das eigene
Immunsystem die Insulin
produzierenden Betazellen
angreift und zerstört

Risikofaktoren sind:

-Bauchspeicheldrüsen-
entzündung (Pankreatitis)

-Schilddrüsenfehlfunktion

-genetische Vererbung

– Über- und Unterzuckerung im starken Wechsel –> Hyperaktivität und Lethargie (Antriebslosigkeit) wechseln sich ab

– Abmagerung trotz steigendem Hunger (“es fühlt sich nie satt”) –> z.T. wird sogar Ungenießbares (Einstreu etc.) gefressen

– extrem hoher Durst (deutlich ab 5-8 ml, in schlimmen Fällen bei Zwerghamstern bis zu 20-25ml tägliche Wasseraufnahme)

– häufige Urinabgabe, z.T. riesige Pfützen mit hellem, wenig aufkonzentriertem Urin

– Tiere fallen irgendwann ins Koma und sterben, daher zeitnahe Euthanasie wichtig

– Vitamin D-Mangel –> Knochen-schwäche (Ostereoporose)

– verstärktes Krallenwachstum

– stumpfes Fell, Fellverlust

– schlechte Wundheilung

– Nierenschäden bis zum Nierenversagen

-Leber- und Herzschädigung

– erhöhtes Risiko für Schlaganfall und Herzinfarkt
3-8 Monate,
selten bis 1 Jahr
Typ 2
“Alters- diabetes”
Risikofaktoren sind:

– falsche zuckerreiche
Ernährung
–> Blutzuckerspiegel steigt
und sinkt sprunghaft
–> Rezeptoren für das Insulin
an den Zellen werden
erschöpft, da der Körper teilweise zu viel Insulin ausstößt

-ballaststoffarme, fettreiche Ernährung

– genetische Prädisposition

– Schilddrüsenfehlfunktion

– zu wenig Bewegung

– Stress

– in 80 % der Fälle (starkes) Übergewicht

-tritt bei ausgewachsenen Tieren auf

– hoher Blutzuckerspiegel

– manchmal Bewegungsunlust

– erhöhtes Durstempfinden (ab 2-5ml, je nach Anteil des Frischfutters)

– häufiges und stärkeres Wasserlassen

-verstärktes Krallenwachstum

-Nierenschäden


leicht bis stärker verkürzt
(je nach Stärke
und wann die Behandlung erfolgt): 1,5-2,5 Jahre
BETONUNG: nicht alle Symptome lassen sich genau zuordnen, manchmal verschwimmen die Grenzen. Hört auf euer Bauchgefühl! Im Zweifel bitte immer einen hamsterkundigen Tierarzt aufsuchen!

Insulin ist ein lebenswichtiges Hormon, was in der Bauchspeicheldrüse gebildet wird und als Botenstoff über das Blut transportiert wird. Es wird ausgeschüttet, sobald sich der Blutzuckerspiegel nach Nahrungsaufnahme erhöht und dient dem Einschleusen von Zucker als Kohlenhydrat und Energielieferant in die Körperzellen.

Die Nieren werden mit der Zeit geschädigt, weil bei einem dauerhaft erhöhten Blutzuckerspiegel die Innenwände der Blutgefäße in den Nierenkörperchen geschädigt werden. Eigentlich sind die diese Gefäßwände Filter, sodass durch deren Schädigung das Blut weniger gefiltert werden kann. Begünstigt und verstärkt wird dieser Effekt durch Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen (z.B. Lipomatose), die beide Begleiterscheinungen von Diabetes sein können

Diagnose

Eine Diagnose kann über zwei Schritte bzw. Arten erfolgen:

1.Die Urinprobe per Teststreifen

Der Urin wird mittels eines frei verkäuflichen Teststreifens (Combur 5 in 1 Test von Bayer) getestet. Man kann die Teststreifen online oder in der Apotheke kaufen, wo man ca. 5-10€ für 10 Teststreifen bezahlt:

Zum Combur-Test bei einem Anbieter (es gibt aber viele Anbieter!, also freie Auswahl :))

Bei der Urinprobe ist das Glucosefeld wichtig, was in den Urin getunkt wird. Dieses Feld zeigt einen erhöhten Zuckergehalt im Urin an, der auf Diabetes schließen lässt. Je nach der Kombination aus Alter des Tieres und Symptomen (Untergewicht o. Übergewicht) lässt sich die Diagnose einem Typ zuordnen. Zusätzlich dient das Keton-Testfeld als “Kontrollfeld”. Wenn er erhöht ist, ist Diabetes kaum noch auszuschließen. Bei einem sehr hohen Ketonwert ist sofortiges Handeln gefragt, denn eine Ketoazidose kann drohen! Das ist eine gefährliche Stoffwechselentgleisung, die durch Insulinmangel ausgelöst wird, ein diabetisches Koma droht (v.a. bei Typ 1 ). Fehlt das Insulin, mit dem der Zucker in die Zellen eingeschleust wird, dann wird Fett als Energieträger abgebaut. Es entstehen Ketonkörper, die sich im Blut anreichern und es übersäuern können. Das Blut hat mehrere Puffersysteme, mit dem der pH-Wert beim Menschen bei 7,36 bis 7,44 gehalten wird.

Anzeichen einer Ketoazidose beim Menschen:

  • Starker Durst
  • Bauchschmerzen, Übelkeit oder Erbrechen
  • Trockene Haut oder Schleimhäute
  • Störungen des Bewusstseins
  • Azeton-Geruch der Atemluft (ähnlich wie Nagellack oder faule Äpfel)

Sollte der Test positiv auf Glucose und negativ auf Keton sein, empfehle ich ihn zu wiederholen, denn Stress kann falsch-positive Ergebnisse verursachen. Wenn der zweite Test auch positiv ist, dann ist das Ergebnis aussagekräftig. Falsch-negative Ergebnisse sind eher selten. Wenn der Glucose-Wert beim mehrfachen Testen immer wieder auffällig ist, dann kann auch eine Nierenerkrankung zugrunde liegen. Egal welche Diagnose eintritt, ein Kleinsäuger-Tierarztbesuch ist nun geboten, um via Ultraschall die Nieren zu untersuchen.

Zum Durchführen der Urinprobe wird der Hamster ausnahmsweise kurz vor der normalen Aufstehzeit geweckt, weil die meisten Tiere sich nach dem Aufstehen erleichtern. Dann wird er in eine saubere Transportbox (optional mit Keramikversteck) gesetzt, wo er 15 min abgedunkelt verbleibt. Sollte er bis dahin nicht uriniert haben, kann man durch vorsichtigen Druck auf den Unterbauch die Blase entleeren. Sollte auch dieser Schritt nicht funktionieren, dann versucht man es auf dem darauffolgenden Tag erneut. Urin direkt aus dem Gehege eignet sich wegen der Verunreinigungen und mangelnder “Frische” nicht.

Ich empfehle eine Testung bei auffälligen Tieren und besonders bei Hybriden aus unseriösen Verhältnissen (ebay Kleinanzeigen, …).

Zusätzlich kann man auch die anderen Felder betesten. Z.B. kann man bei rotem Urin auf eine Blasenentzündung schließen, die von dem Erythrozyten-Testfeld bei positivem Ergebnis bestätigt werden kann. Sollte das Ergebnis unauffällig sein, dann kommt die rote Farbe wahrscheinlich von rot/orangenen Futtermitteln wie rote Beete (bitte nur Goldhamstern füttern!), Möhren, roter Paprika etc. Ein Ausschlag bei dem Protein-Feld ist bei Hamstern normal, sie haben immer etwas mehr Protein im Urin als andere Tiere.

2. Trinkmenge messen

Die normale Trinkmenge bei Hamstern schwankt zwischen 0,5 bis 2 ml, je nach Gewicht, Alter, Größe, individuellen Bedarf und Anteil an Frischfutter. Eine Trinkmenge von 2-5 ml ist bedenklich, kann aber bei großen Individuen bei vollkommen trockener Ernährung an warmen Sommertagen noch im normalen Rahmen liegen. Hamster können nicht schwitzen und speicheln sich daher vor allem die Extremitäten bei Hitze ein. So verlieren sie noch mehr Flüssigkeit und gleichen es durch eine höhere Trinkmenge aus.

Ab geschätzten 5 ml wird es jedoch kritisch und spätestens dann sollte die Trinkmenge genau gemessen und ein Urintest durchgeführt werden.

Zum Messen der Trinkmenge stellt man zwei Trinknäpfe für 5-7 Tage auf. Der eine steht im Gehege, wobei die darin enthaltene Wassermenge mit einer möglichst genauen Spritze abgemessen wird. Der andere Napf steht außerhalb des Geheges, damit die Wasserverdunstung als Referenzwert gemessen werden kann. Er sollte auf gleicher Zimmerhöhe stehen und denselben Durchmesser haben, damit die Verdunstung durch die andere Zimmertemperatur (warme Luft steigt nach oben) und durch eine andere verdunstungsfähige Wasseroberfläche verfälscht werden kann.

Die Trinkmengenmessung eignet sich auch, um den Verlauf der Diabetes und Verbesserungen durch eine geeignete Behandlung zu messen.

Behandlung

Beim Diabetes Typ 1 ist keine dauerhafte Behandlung möglich, weil eine Blutabnahme an einem lebenden Zwerghamster fast unmöglich ist, um den Blutzuckerspiegel bestimmen zu können und danach dosiertes Insulin zu spritzen. Man kann die Symptome mit einer ölsaatenreichen Ernährung in Verbindung mit einer Vitamin D-Reichung mittels reifer Avocado etwas lindern. Vitamin D wirkt dem diabetes-bedingten Knochenabbau entgegen, außerdem ist Avocado fettreich und damit ein guter Energielieferant, der das Wohlbefinden der kranken Tiere erhöht. Achtung: Persin in der Avocado ist für Pferde, Schafe, Ziegen, Kaninchen, Vögel und Fische giftig! Sie sollte Hamstern nur in reifer Form in kleinen daumennagelgroßen Stücken gereicht werden, dann ist sie für Hamster unbedenklich.

Bei Futterkrämerei wird die Diabetes-Mischung von Eva Kunze (Kipi-Konzept) als Kur gegen akutes Diaberes verkauft, die die Trinkmenge schnell nach unten korrigieren und das Wohlbefinden steigern soll:

Zur Kipi-Diabetes-Mischung

In dieser Mischung sind blutzuckersenkende Bestandteile enthalten, zusätzlich kann man Bockshornkleesamen (ca. 25 Stück pro Tier/Tag) füttern. Sie können bewirken, dass sowohl das erkrankte Tier als auch der Urin nach Maggi riechen.

Bei Typ II Diabetikern empfiehlt sich eine ausgewogene Diät, eine Gewichtsreduktion kann die Symptome der Tiere lindern. Vollständig heilbar ist auch diese Form von Diabetes nicht.

Es ist essenziell, dass den kranken Tieren immer genug frisches Wasser bereitsteht. In Härtefällen müssen das 20-40 ml pro Tag sein!

Prävention

Als Prävention haben die Züchter der Campbell-Zwerghamster die Verantwortung bei jedem Zuchttier vor seinem Einsatz eine Urinprobe per Testreifen zu machen und kranke Tiere radikal aus der Zucht zu nehmen. Dafür bekommt man bei seriösen Zuchten für Campbell-Zwerghamster sehr sicher gesunde Tiere, die nicht von dem angeborenen Typ 1 Diabetes betroffen sind.

Hybridenzucht ist immer unseriös, da gibt es keine Ausnahmen! Ich sehe regelmäßig Kurzzeit-Dauerpfleglinge aus dem Tierschutz in Pflegestellen, die als Hybriden mit 3-8 Monaten kläglich an Diabetes Typ 1 versterben. Eine Insulinbehandlung ist beim Hamster unmöglich, weil man den Blutzuckerspiegel nicht ohne weiteres messen kann und eine Insulindosierung angepasst sein muss.

Auf Dauer kann Diabetes Typ 2 durch eine tiergerechte Fütterung (siehe Fütterung) und ein abwechslungsreiches Gehege, welches zur Bewegung anreizt, vorgebeugt bzw. verhindert werden. Getreide und getrocknetes Gemüse und Obst hat in Campbell- und Dsungarenfutter nichts zu suchen.

Für weiterführende Informationen und Austausch mit anderen betroffenen Haltern kann ich den Diabetes-Blog empfehlen: http://diabeteshamster.blogspot.com/

Quellen: hamsterliebe.de , Hamster-Rettungsinsel-Bodensee, Das Kipi-Konzept, https://www.gesundheitsinformation.de/diabetes-typ-1.html , https://www.petdoctors.at/kleintier/krankheit-symptom/was-tun-wenn-der-nager-zuckerkrank-ist, https://www.apotheken-umschau.de/krankheiten-symptome/diabetes/lexikon/ketoazidose-809397.html; eigene Erfahrung